Iljuschin IL-18

Einleitung

In diesem Artikel widme ich mich der Iljuschin IL-18. Für mich ist dieses Flugzeug eines der elegantesten Turboprop-Modelle der Welt. Außerdem ist es der Typ, aus welchem ich im Jahre 1989 zum ersten Mal die Welt von oben sehe durfte. Anhand der Exemplare in meiner Diasammlung habe ich einige allgemeine, zum Teil aber auch spezielle Infos rund um dieses Flugzeugmuster recherchiert. Teilweise weichen die gefunden Daten jedoch mehr oder weniger stark voneinander ab, was mich sehr viel Zeit und nicht weniger Nerven gekostet hat. Aus diesem Grund gebe ich hiermit keinerlei Garantie für die Richtigkeit der genannten Details.

Vorausschickend möchte ich noch erwähnen, dass ich mich sowohl bei den russischen Namen als auch bei den Typen- und Versionsbezeichnungen anstelle der englischen für die deutsche Schreibweise entschieden habe.

Entwicklung und Versionen

Das Turboprop-Muster Iljuschin IL-18, welches optisch der Vickers Vanguard und der Bristol Britannia ähnelt, zählt zu den besten und erfolgreichsten Verkehrsflugzeugen der Welt und bildete in den 1960er und 1970er Jahren das Rückgrat der Mittelstreckenflotte der sowjetischen Fluggesellschaft Aeroflot.

Das Konstruktionsbüro S. W. Iljuschin nahm im Jahre 1946 die Entwicklung für einen größeren Nachfolger der IL-12 auf. Dieses IL-18 genannte Modell, ausgestattet mit vier Kolbenmotoren, hatte eine Rumpflänge von knapp 30 Metern bei einer Spannweite von 41 Metern. Rein äußerlich war sie mit dem amerikanischen Bomber Boeing B-29 oder der sowjetischen Tupolew Tu-4 vergleichbar. Der Prototyp startete am 17. August 1946 zum Erstflug.

Obwohl die Maschine gute Flugeigenschaften besaß und ein einjähriger Testbetrieb stattfand, erreichte sie nie die Serienreife. Einer Geschichte zufolge wurde die weitere Produktion praktisch „über Nacht“ von Stalin gestoppt, als er das Flugzeug sah, und den Designer, Sergej Iljuschin, fragte, wie viele Passagiere sie befördern konnte. Er antwortete: „66, Genosse Stalin, und eine geplante Militärversion wird 90 Soldaten tragen“. Stalin erwiderte: „Überlegen Sie, was passieren würde, wenn es abstürzt“. Offiziell galt die Nichtverfügbarkeit der vorgesehenen Triebwerke als Programmstopp. Das Projekt wurde zugunsten von Li-2, IL-12 und IL-14, die bereits in Produktion waren, aufgegeben. Fotos und weitere Infos zu diesem Modell finden sich unter anderem auf der russischen Internetseite www.airwar.ru.

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Mitte der 1950er Jahre begannen, auf Druck der Aeroflot, erneut die Entwurfsarbeiten für ein 75-sitziges Mittelstreckenflugzeug. Der „Moskwa“ genannte Prototyp der „neuen“ IL-18 (Registrierung CCCP-L5811, Seriennummer 187000001) startete am 4. Juli 1957 unter Führung des erfahrenen Testpiloten Wladimir Kokkinaki, übrigens auch Pilot des Jungfernfluges der ursprünglichen IL-18, zu seinem Erstflug. Im Anschluss an drei weitere Prototypen wurde eine erste Vorserie von 20 Maschinen gefertigt, von denen zehn Exemplare wie die Prototypen mit vier Propellerturbinen des Typs Kusnezow NK-4 von je 4.000 WPS (2.940 WkW) ausgerüstet waren.

Die restlichen zehn Flugzeuge erhielten zu Vergleichszwecken vier Iwtschenko AI-20-Triebwerke gleicher Leistung. Da dieser Triebwerkstyp erfolgversprechender war, kam er nachfolgend in allen anderen Serienflugzeugen zum Einbau. Eine Reihe von Streckenerprobungsflügen stellte die Zuverlässigkeit des Typs fest. Während der fast zweijährigen Testphase wurden mehr als 25 Weltrekorde aufgestellt. Im Reiseflug erreichte die Maschine eine Geschwindigkeit von 630 km/h und die normale Reichweite betrug in etwa 4300 Kilometer.

Das Cockpit der IL-18 bot Platz für bis zu 5 Personen (Pilot, Co-Pilot, Bordingenieur, Navigator sowie Funker oder Kabinenmitglied). Die typische Kabine war in drei Segmente unterteilt. Die Sitzreihen verfügten in der Regel über jeweils zwei Plätze auf der Backbord- und drei Plätze auf der Steuerbord-Seite, getrennt durch einen Mittelgang.

Am 20. April 1959 begann Aeroflot mit einem Flug von Moskau nach Sotschi-Adler den regelmäßigen Liniendienst mit Maschinen des Typs IL-18. Die erste internationale Einsatz fand im Oktober 1959 auf der Route Moskau-London statt.

Der ersten Variante IL-18A folgte die IL-18B mit einem um 2.000 kg auf 59.200 kg erhöhten Startgewicht und einer Ausstattung für 84 Passagiere. Im Laufe der Weiterentwicklung kam 1961 die IL-18W mit dem verbesserten AI-20K-Triebwerk für 89 bis 100 Fluggäste auf den Markt, und 1962 erschien die IL-18I und einem gesteigerten Abfluggewicht von 61.200 kg. Die gegenüber der IL-18W höhere Sitzplatzkapazität für 110 bis 122 Passagiere wurde aufgrund einer Verlängerung der Druckkabine durch Einbeziehung des vorher nicht druckbelüfteten Frachtraumes im Rumpfheck möglich. Hinzu kam eine Erhöhung der Kraftstoffkapazität um nahezu 30 Prozent durch den Einbau eines zusätzlichen Tanks im Flügelmittelstück.

Im Jahr 1963 wurde schließlich die Version IL-18D vorgestellt, bei der die AI-20K-Triebwerke durch die leistungsstärkeren AI-20M-Aggregate mit jeweils 4250 PS ersetzt worden waren. 1965 folgte mit der IL-18E die letzte Variante des Flugzeugmusters. Die IL-18E war mit Ausnahme der Treibstoffkapazität, die der IL-18W entsprach, mit der IL-18D baugleich. Beide Versionen wurden 1965 von der Aeroflot in den Liniendienst gestellt, wobei die IL-18E auf Mittelstrecken, die IL-18D auf Langstrecken zum Einsatz kam. Von der IL-18 wurden über 800 Flugzeuge aller Serien produziert, von denen rund 125 zivile und militärische Exemplare ins Ausland exportiert wurden. Die Cargovarianten wurde als IL-18Gr, IL-18GrM oder IL-18T bezeichnet.

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Betreiber der Iljuschin IL-18

Außerhalb der Sowjetunion war die DDR-Fluggesellschaft Interflug mit 16 Einheiten einer der größten Betreiber der IL-18. Am 3. April 1960 startete die DM-STA zum ersten Flug von Berlin-Schönefeld nach Moskau-Scheremetjewo. Die Flugdauer betrug 157 Minuten. Ebenso wie die beiden folgenden Maschinen, DM-STB und DM-STC, trug sie anfänglich noch die Bemalung des Interflug-Vorgängers „Deutsche Lufthansa der DDR“.

Eine weitere Besonderheit betraf die Registrierung DM-STF, welche zweimal vergeben wurde. Die erste „Sierra Tango Foxtrott“, ausgeliefert am 13. Februar 1962, fiel während Wartungsarbeiten in Moskau einem Feuer zum Opfer, und wurde im Januar 1967 abgeschrieben. Daraufhin stellte die Interflug am 7. März 1967 die ehemalige CCCP-75553 der Aeroflot als DM-STF in Dienst. Nach der zwischenzeitlichen Umregistrierung in DDR-STF, flog sie nach der deutschen Wiedervereinigung als D-AOAO für Berline.

Nach deren Pleite erhielt sie die Farben der German European Airlines, hob aber niemals damit ab, da es sich dabei nur um ein Projekt von Hochstaplern handelte. Die maximale Flottenstärke von 15 Exemplaren war von 1974 bis 1978 bei der Interflug im Einsatz. Einen weiteren Totalverlust erlitt die Interflug am 26. März 1979, als die DM-STL beim Start im angolanischen Luanda verunfallte. Bei diesem Cargo-Einsatz verloren alle zehn Insassen ihr Leben.

Auf der Seite Interflug.biz finden Interessierte einen detaillierten Bericht des Unfalls. Ebenso lässt sich dort das 298-seitige Flugbetriebshandbuch der IL-18 aus dem Jahr 1984 als PDF „durchblättern“ oder herunterladen.

Die tschechoslowakische CSA erhielt am 8. Januar 1960 mit der OK-NAA und OK-NAB die ersten Exportmodelle, beide jeweils in der Variante Iljuschin IL-18B. Bis zum Jahr 1967 wurden noch zehn Exemplare ausgeliefert.

Weitere Maschinen gingen an TABSO bzw. deren Nachfolger Balkan aus Bulgarien (18), die chinesische CAAC (17), die rumänische Tarom (12) und LOT aus Polen (10), Air Guinee (10, davon 3 geleast), Cubana (9, davon 1 geleast), die ungarische Malev und Ghana Airways (jeweils 8),  Air Mali (4), Hang Kong Vietnam bzw. Vietnam Airlines (3), Chosonminhang bzw. Air Koryo aus Nordkorea (2). Die wenigen zur militärischen Passagierbeförderung eingesetzten IL-18 flogen in Afghanistan, Algerien, Bulgarien, China (VR), CSSR, Polen und Jugoslawien.

Die B-208 (anfangs nur als 208 registriert) in den Farben der CAAC und der Seriennummer 185008701 war das persönliche Flugzeug des ehemaligen chinesischen Partei- und Staatschefs Mao. Das Exemplar war von 1965 bis 1988 im Einsatz. Das als „Maos IL-18“ im Chinesischen Luftfahrtmuseum nahe Peking ausgestellte Flugzeug trägt ebenfalls die Registrierung 208. Tatsächlich handelt es sich dabei aber um die ehemalige B-224 aus dem Jahr 1967. Einige Innen- und Außenaufnahmen der Museumsmaschine finden sich in diesem Flickr-Album.

Die LZ-BEP der Balkan, eine Iljuschin IL-18W, wurde am 27. März 1965 in Dienst gestellt. Am 16. Juni 1984 verunfallte die Maschine auf dem Airport in Sanaa/Jemen (SAH/ODSN). Bei der Landung war die Maschine viel zu schnell und setzte mit dem Bugfahrwerk zuerst auf. Anschließend folgten vier „Sprünge“ bis das Flugzeug endlich dauerhaften Kontakt zur Runway hatte. Allerdings konnte die Maschine dadurch nicht mehr rechtzeitig abgebremst werden und rollte über das Ende der Piste hinaus. Die entstandenen Beschädigungen ließen eine ökonomisch sinnvolle Reparatur nicht mehr zu.

Die SP-LSB war das zweite an die polnische LOT gelieferte Exemplar und kam ab dem 21. April 1961 zum Einsatz. Am 2. November 1988 erfolgte die Außerdienststellung und im Jahre 1991 letztendlich die Verschrottung.

Eine der zwölf Iljuschin IL-18 der rumänischen Tarom war die YR-IMH. Diese IL-18W mit der Seriennummer 185008301 wurde am 3. Juli 1965 in die Flotte integriert. Am 14. September 1991, auf dem Flug von Bukarest nach Timisoara, zerschellte die Maschine bei schlechtem Wetter nahe Uricani an einem Berg in den rumänischen Karpaten, weil sie viel zu tief flog. Alle neun Insassen fanden dabei den Tod.

Nach dem Zusammenbruch des Sozialismus in der Sowjetunion und der Zerschlagung der Aeroflot kam das Modell bei den vielen Nachfolge-Airlines weiterhin zahlreich zum Einsatz. Als die Iljuschin IL-18 im April 1999 ihr vierzigjähriges Dienstjubiläum feiern konnte, standen noch fast 80 dieser formschönen Turboprop-Maschinen weltweit im Einsatz, davon die meisten bei Aeroflot-Nachfolgegesellschaften in Gebieten Russlands und der ehemaligen Sowjetunion. In den anderen ehemaligen Ostblock-Staaten war das Schicksal dieses Typs dagegen binnen weniger Jahre nach der politischen Wende besiegelt.

Der letzte DDR-Sommerflugplan vor dem Mauerfall im Jahre 1989 wies folgende reguläre IL-18-Verbindungen aus. Die Interflug flog mit diesem Typ zwischen Berlin-Schönefeld und Prag (2x täglich), Budapest (1x täglich), Varna (2x/Woche), Bourgas (2x/Woche), Tirana (1x/Woche) sowie einmalig am 4. September 1989 nach Poprad in der Hohen Tatra. Dieser Airport wurde am selben Tag ebenfalls von Dresden aus angesteuert. Auch von Erfurt aus starteten die Turboprop-Maschinen der DDR-Fluggesellschaft. Budapest wurde dreimal pro Woche angeflogen, zwischen Mitte Mai bis Mitte Oktober sogar täglich. Im gleichen Zeitraum fanden außerdem je zwei wöchentliche Flüge nach Bourgas und Varna statt.

Aber auch die rumänische Tarom und die polnische LOT verkehrten 1989 noch mit IL-18 nach Berlin-Schönefeld. Erstere einmal in der Woche aus Bukarest, letztere zweimal wöchentlich aus Warschau. Im Jahr 1990 wurden diese Flüge entweder mit anderem Gerät bedient oder deren Umläufe reduziert. Dafür setzte die Interflug die Iljuschin 18 zwischen Dresden und Budapest (täglich vom 1. bis 9. September) sowie Leipzig und Budapest (bis 6x wöchentlich) ein.

Auf der ILA 1992 in Berlin-Schönefeld war die D-AOAP (ex DDR-STI) der Berline zu besichtigen und für jeden frei zugänglich. Natürlich nutzte ich die Möglichkeit, um die nachfolgenden, interessanten Detailaufnahmen zu machen. Am 17. Dezember 1997, inzwischen als RA-75554 für Ramaer Cargo registriert, überfuhr die Maschine wegen eines zu hohen Startgewichts das Pistenende auf dem Flughafen Johannesburg in Südafrika. Dabei brachen sowohl das Bug- als auch das linke Hauptfahrwerk, Triebwerk Nummer 1 löste sich von der Tragfläche und es brach ein Feuer aus. Bei dem Unglück kam niemand zu Schaden, das Flugzeug musste jedoch abgeschrieben werden.

Die IL-18 DDR-STN der Interflug

Nun aber zu „meiner“ IL-18D. Am 15. August 1989 startete ich in Erfurt an Bord der DDR-STN Richtung Varna, an der bulgarischen Schwarzmeerküste. Dies war zugleich mein allererster Flug. Die Maschine war zu diesem Zeitpunkt bereits 21 Jahre im Dienst. Am 15. April 1968 übernahm die Interflug das Flugzeug mit der Seriennummer 188010903. Anfangs noch als DM-STN im DDR-Luftfahrtregister eingetragen, wurde die Registrierung am 25. August 1981 in DDR-STN geändert. Der 3. Oktober 1990, der Tag der deutschen Wiedervereinigung, brachte eine erneute Anpassung des Kennzeichens. Dieses lautete nun D-AOAT. Gleichzeitig erfolgte der Umbau zur Frachtmaschine.

Von November 1990 bis März 1996 startete das Flugzeug als SP-FNC „Hubert“ für Polnippon Cargo. Direkt danach ging es für Polonia Airways als SP-FNZ weiter. Das letzte Kapitel im Leben dieser Maschine begann am 19. November 1997 mit der Übergabe an die in Sharjah (Vereinigte Arabische Emirate) beheimatete Air Cess. Zeitgleich erfolgte die Eintragung ins liberianische Register als 3D-SBZ. Leider wurde diese Iljuschin 18 bei einem Luftangriff der Simbabwe Air Force auf den Airport in Kalemie (FMI), in der Demokratischen Republik Kongo, am 23. November 1998 irreparabel zerstört. 2013 folgte schließlich die endgültige Verschrottung.

Noch erhaltene Exemplare

Einige der verbliebenen IL-18 wurden vor der Zerstörung gerettet und dienen als Hotel, Restaurant oder als Ausstellungsstück. Die DDR-STD beispielsweise wurde zur Hotelsuite umgebaut und ist im niederländischen Airport Teuge stationiert. Weitere Infos sowie Buchungen sind über die Webseite von Vliegtuigsuite Teuge möglich.
Die ehemalige OK-WAJ kann im tschechischen Bakov nad Jizerou, nahe Mladá Boleslav, seit 1986 als Restaurant bestaunt werden. Ein weiteres tschechisches Exemplar, die OK-PAI, ist als Exponat im Technikmuseum Sinsheim zu sehen.
Die HA-MOA der Malev hat ihre Ruhestätte seit 1992 im Aeropark Budapest, direkt neben dem Flughafen Ferihegy, gefunden. Weitere Details über das Museum findet ihr unter aeropark.hu.

Ebenfalls noch erhalten ist die ehemalige DDR-STA. Früher war die Maschine zusammen mit der Tupolew Tu-134 DDR-SCF sowie der Iljuschin IL-62 DDR-SEF im Aeropark des Airports Leipzig zu sehen. Nach der Restaurierung kann man die IL-18 seit 2010 an der Flughafenallee wieder im Kleid der Deutschen Lufthansa der DDR und mit der ursprünglichen Registrierung DM-STA bewundern.

Videos über die Iljuschin IL-18

Auf Youtube findet sich natürlich ebenfalls einiges Material über die IL-18. Beispielhaft seien die folgenden Filme genannt. Während in den ersten beiden sehr gut der Sound der vier Iwtschenko-Triebwerke zu hören ist, ermöglichen die zwei anderen Videos auch einen Blick ins Cockpit während des Fluges.

Freunde der historischen Flugzeuge finden in Teil 1 und Teil 2 Informationen und Fotos zu einem weiteren Klassiker, der Junker Ju-52.

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